In einem Rundschreiben vom 23. Februar [1] berichtet der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. von einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus (dem Landesparlament) zum Thema Taxi und Mietwagen. Der Verband beglückwünscht sich für das Ergebnis dieser Anhörung.
wir haben nach Jahren des schutzlosen Zustands tatsächlich etwas erreicht, was den weiteren Niedergang des Berliner Taxigewerbes vielleicht stoppen, zumindest aber deutlich abbremsen kann.
Festpreisangebote für Taxikunden, ein Tarifkorridor und ein möglicherweise kommender Mindestpreis für taxi-ähnliche Fahrten von Mietwagenbetriebe versprechen nach Ansicht des Verbands Besserung und Schutz vor der unfairen Konkurrenz durch plattformgesteuerte Mietwagen. Ich teile diese Auffassung nicht. Mit Marketing-getriebenen Korrekturen des Berliner Taxitarifs erweist sich das Taxigewerbe einen Bärendienst, denn es wird viel Zeit, Geld und Arbeit für eine Maßnahme verschwendet, die nichts an den Ursachen des Problems ändert. Der freudig präsentierte Sieg im Kampf gegen Uber ist ein Pyrrhussieg. [2]
Es wäre besser und einfacher, die Grundlagen des Problems aus der Welt zu schaffen: Dumpinglöhne in Mietwagenbetrieben.
Erinnern wir uns daran, welche Voraussetzungen politisch geschaffen werden mussten, damit Uber & Co. in Berlin Fuß fassen konnten, und vergessen wir auch nicht, dass es vor allem Hamburg seit Jahren gelingt, das illegale Uber-Unwesen abzuwehren.
Im Berliner Taxigewerbe werden spätestens seit der Jahrtausendwende nur noch Hungerlöhne gezahlt. Im Jahr 2017, dem Jahr vor dem massenhaften Auftreten von illegalen Uber "Taxis", waren Taxi-Schichtumsätze von 150 bis im Glücksfall 200 Euro Standard. Taxi-Bruttolöhne bewegten sich deshalb im Bereich zwischen 8 und 11 Euro pro Stunde. Weniger glückliche Fahrer, die etwa ausschließlich am Hauptbahnhof auf Kunden warteten, mussten sich häufig mit 100 bis 120 Euro Schichtumsatz begnügen und verdienten mit € 5 bis € 7 pro Stunde deutlich weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von € 8,84.
Um sein Angebot mit Dumpingtpreisen in den Markt drücken zu können, musste Uber deshalb Fahrer finden, die bereit waren, für noch weniger Geld zu arbeiten. Die für Ambulanz- und Mietwagenfahrer vorgeschriebene kleine Ortskundeprüfung verhinderte zusätzlich die Einstellun von Fahrern, die kein Deutsch konnten und bar jeder Ortskenntnis waren. Die Sache war für Uber aussichtslos, denn kein einigermaßen begabter Mensch würde eine Tätigkeit aufnehmen, die schlechter als jede andere Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt entlohnt wurde, eine nicht ganz einfache Prüfung voraussetzte und darüber hinaus anstrengend und gefährlich war.
Es war Verkehrsminister Andreas Scheuer, der für Uber den gordischen Knoten zerschlug, indem er im Jahr 2017 die Ortskundeprüfung für Ambulanz- und Mietwagenfahrer bundesweit abschaffen ließ. Nun konnten die lokalen Uber-Partnerbetriebe in Berlin ein neu geschaffenes Arbeitskräftereservoir anzapfen, die seit dem Jahr 2015 (Sie erinnern sich, „wir schaffen das“ ...) zu tausenden in Berlin lebenden vor allem syrischen Flüchtlinge, die bislang mangels Sprachkenntnis und beruflicher Qualifikation keine Arbeit fanden.
Ein Problem musste jedoch auch für diese Menschen gelöst werden, um sie in die Ubertaxis zu locken. Ein Mensch muss von seiner Arbeit leben können, was bei Stundenlöhnen im Bereich von 5 Euro und darunter in Deutschland nicht der Fall ist. Eine 40-Stundenwoche bringt bei 5 Euro Stundenlohn monatlich € 870,00 brutto ein und auch mit 60 Stunden Arbeit in der Woche kommen nur € 1300,00 zusammen. Der ausgezahlte Lohn bewegt entspricht dann ca. € 690,00 bzw. € 1000,00, angesichts der Miet- und Lebensmittelpreise nicht genug zum Leben.
Die Lösung dieses Dilemmas ist für Gauner kein Problem. Den angeworbenen Fahrern, die keine Kenntnisse der deutschen Gesetze und Sozialversicherung haben und dringend Geld für die Unterstützung ihrer Familien im Ausland benötigen, bietet der Arbeitgeber an, nur einen kleinen Teil ihres Einkommens offiziell zu deklarieren. So kann der, bis auf den Besitz eines Führerscheins vollkommen unqualifizierte Mensch sofort zwischen € 600,00und € 1000,00 verdienen und erhält zusätzlich Leistungen nach ALG II (Hartz IV / Bürgergeld) in Höhe von ca. € 1000,00. Besonders fleißige Fahrer, die an sechs Tagen der Woche je 12 Stunden arbeiten, können sogar bis zu €1600,00 zur Transferleistung in Höhe von € 1000,00 hinzuverdienen; „schwarz“ unter der Hand und ohne Abzüge natürlich. „Bar Kralle“ sagt der Berliner dazu.
Diese Art der Unter-der-Hand-Entlohnung ist bis heute gängige Praxis der Uber-Partnerbetriebe Berlins und stellt die wirtschaftliche Grundlage für die Dumpingpreise der Plattformen dar.
Wer diese Praxis durch regelmäßige Überprüfung der korrekten Zahlung des Mindestlohns abstellt, eliminiert den Kostenvorteil der illegalen Ubertaxis, entzieht den kriminellen Mietwagenbetrieben die wirtschaftliche Grundlage und beendet illegal erschlichene Auszahlungen des Jobcenters in Höhe von 5 bis 10 Millionen monatlich. Mit diesem Geld, 60 bis 120 Millionen jährlich, könnten viel Schulen gebaut werden.
Das Mindestlohngesetz ist einfach zu verstehen, in der vollständig verdateten Mietwagen- und Taxibranche leicht und mit wenig Aufwand durchzusetzen, und bietet sich deshalb als effektivste Methode an, um die wirtschaftliche Grundlage der Berliner Taxibetriebe wieder herzustellen.
Wenn das getan ist, braucht sich niemand mehr mit komplizierten Dingen wie Tarifkorridoren und Mindestpreisverordnungen beschäftigen. Alle gewinnen: Wir alle sparen Millionen, die zuständigen Behörden können sich endlich einer sinnvollen Regulierung des Taxigewerbes zuwenden, und die Fahrgäste sind nicht mehr den gefährlichen Uber-Autos mit ihren unqualifizierten, unterbezahlten und übermüdeten Fahrern ausgesetzt.
Die Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in Mietwagenbetrieben sollte oberste Priorität vor allen anderen Maßnahmen zur Stärkung des Taxigewerbes haben.