Das Taxi- und Mietwagengewerbe aus Arbeitnehmersicht

Lohnt sich die Arbeit als Taxifahrer noch?
Bei „Uber“ wird noch schlechter verdient.
Was tun?

14. April 2025 von Klaus Meier
 

Wir erleben zur Zeit eine große Umstrukturierung Berlins, die so genannt Gentrifizierung. Zusammen mit der Verkehrspolitik sorgt sie für Teuerung in Kombination mit sinkenden Einnahmen.

Heute gibt es arbeitslose Taxifahrer, und von denen mit einer Anstellung verdient nur ein kleiner Teil den gesetzlichen Mindestlohn oder mehr. Die Taxibetriebe habe seit langer Zeit gelernt, Umsatzeinbußen auf ihre Fahrer abzuwälzen. Es wird einfach weiter 40% bis 50% vom Umsatz als Bruttolohn bezahlt. Das Ergebnis reicht nur selten an den gesetzlichen Mindestlohn heran. Alle bekannten Zahlen deuten darauf hin, dass nur ein kleiner Teil der Taxibetriebe ihre Fahrer zu vertretbaren Bedingungen beschäftigt.

Zahlreiche fragwürdigen Taxibetriebe

1. Das Wirtschaftlichkeitsgutachten von 2016 bescheinigte 77% der Berliner Taxis ein nicht plausibles Geschäftsmodell. Die vornehm zurückhaltende Formulierung bedeutet: "Die bescheißen".

2. In etwa 20 Prozent der Berliner Taxis "fuhr der Chef selber". Von denen nehmen wir drei Viertel aus unserer Rechnung raus, weil sie spätestens seit der Jahrtausendwende hart an der Grenze zur Rentabilität fahren und auch vor Einführung des Fiskaltaxameters kaum Möglichkeiten zum Bescheißen wie in alten Zeiten hatten. Sie gehören vermutlich zu den 23 Prozent "ehrlicher" Taxibetriebe. Es bleiben also (23% - 15 = 8%) acht Prozent "ehrliche" Mehrwagenbetriebe.

3. An diesem Verhältnis dürfte sich bis heute wenig oder nichts geändert haben.

Wir können also davon ausgehen, dass weiterhin mit etwa drei Viertel der Taxis beschissen wird, und zwar heute weniger was Steuern und Abgaben angeht sondern vor allem in Bezug auf Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz, also zulasten der Fahrer.

Von den Mehrwagenbetrieben dürften weniger als 8% zuverlässig Mindestlohn oder besser zahlen. Dazu fehlt so gut wie allen die wirtschaftliche Grundlage (vulgo Kasse / Umsatz / Beute etc.) und warum sollte man es tun, wenn einem als Unternehmer die Kutscher "freiwillig" mehr vom Umsatz überlassen, als sie müssen.

Ich erlebe, wie Mehrwagen-Taxibetriebe schließen, die noch versucht haben, alle Vorschriften einzuhalten. Es werden weniger.

Bei den Mietwagenbetrieben muss man fünf Typen unterscheiden.

1. Die vollkommen Illegalen ohne jede Anmeldung ausser bei Vermittlungsplattformen.
2. Die konzessionierten Taxi-artigen Wagen der Plattformen - die sind alle wegen Lohndumping illegal [1], außer
3. den Fahrzeugen des Safedriver-Konzerns, der korrekte Löhne aus der Umsatzprovision der Uber-Plattform subventioniert bekommt.
4. Spezialisten für Transfers mit Kleinbussen, teilweise bei Busunternehmen für 10+ Fahrgäste - sind nicht Teil unserer Betrachtung
5. Die klassischen Limousinenservices mit Daimler und Rolls - sind nicht Teil unserer Betrachtung

Aus Arbeitnehmersicht kommen eigentlich nur die letzten drei Kategorien von Mietwagenbetrieben als Arbeitgeber in Frage. Als abhängig beschäftigter Fahrer begibt man sich oft genug in eine Gaunergemeinschaft, wenn man "für Uber" fährt (Kategorie 2.), in Wirklichkeit jedoch bei einem der "Partnerbetriebe" beschäftigt ist. Da gibt es dann maximale Unterstützung fürs Bescheißen beim Jobcenter. Keine schönen Aussichten.

Wie hier die prozentuale und in absoluten Zahlen darstellbare Verteilung aussieht, lässt sich recherchieren. Vermutlich sind um die 80% der Mietwagen illegal unterwegs, was das Mindestlohnthema betrifft. Das Lohndumping ist ihre Geschäftsgrundlage und unfairer Wettbewerbsvorteil. Die unter 1. und 2. zusammengefassten sind schlecht für ihre Angestellten und fürs Taxigewerbe. Alle anderen sind keine Konkurrenz für Taxis, weil sie andere Marktsegmente bedienen. Hier sind auch besondere Qualifikationen gefragt, Fremdsprache, Fahrerlaubnisse für größere und schwerer Fahrzeuge, und vieles mehr.

In der Gesamtschau zeigt sich ein zum allergrößten Teil außerhalb der Regelungen des Arbeitnehmerschutz agierendes Gewerbes. Das betrifft sowohl die Taxibranche als auch als die plattformvermittelten Mietwagen mit Chauffeur.

Das Taxi- und Mietwagengewerbe ist Nukleus einer neuen Armutsgesellschaft

Zusammen mit der Gentrifizierung Berlins, steigende Mieten sind ein besonders wichtiger Teil dieses Prozesses, werden Ausbeutung und Armut zu einer soziale Katastrophe führen. Wir erleben gerade das Entstehen von Armutsgesellschaften, Kiezen und Bevölkerungsgruppen, für die Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, rücksichtsloses Tricksen und Bescheißen eine eingeübte Lebensform geworden sind.

Die Beobachtung derartiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse im Taxigewerbe haben Frank Steger und mich auf die Idee des Taxi Soziallotsen gebracht. Ich kann dabei die Entstehung von Armutsgesellschaften nicht verhindern, versuche jedoch, für einzelne Kolleginnen und Kollegen Auswege zu finden, und das Problem bekannt zu machen.

Ich sehe bereits jetzt in Wedding/Gesundbrunnen, Reinickendorf, Neukölln, Spandau und den östlichen Randlagen verarmte Ortsteile und Ortslagen. Auch in Steglitz/Lichterfelde gibt es sie. Wo man problembeladene Zuwanderer in großer Zahl zusammenpfercht, werden voraussichtlich weitere Armutsgesellschaften entstehen. Frankreich zeigt mit seinen unbewohnbaren Banlieue-Vorstädten, wo der Zug hingeht. Die Bettlerdichte der Berliner Innenstadt ähnelt jetzt schon der in Paris.

Es gibt zur Zeit keine Lösungsansätze in Politik und Verwaltung

Es muss also im Taxi- und Mietwagengewerbe deutlich ausgedünnt und Fahrer-Qualifikation und Angebotsqualität radikal verbessert werden. Nur so kann verhindert werden, dass "unser Gewerbe" nicht zu einem Krebsschaden an der Gesellschaft wird, und uns mittelfristig Verhältnisse wie in den USA beschert. Es geht auch um Grundlagen von Demokratie. Die stirbt an verallgemeinerter Ausbeutung und menschlicher Aussichtslosigkeit.

Ein Vorschlag

Eine Stärkung der Voraussetzungen für die Arbeit als Taxi- und Mietwagenfahrer, etwa durch die Einführung eines IHK Lehrberufs "Personenbeförderer" und die Verpflichtung aller Fahrer nach Weiterbildung diese Prüfung abzulegen, wäre geeignet, unser Problem lösen. Es gibt auch Lösungen, die außerhalb des liberalen Markt-Konsens funktionieren, aber die stehen noch weniger auf der Tagesordnung.

Der Zug fährt leider gerade in eine andere Richtung. Ich werde mir dehalb noch viel einfallen lassen, um Kolleginnen und Kollegen zu helfen, nicht nur unter diesen katastrophalen Aussichten zu überleben, sondern neue, bessere Perspektiven zu entdecken.


[1Ein legaler Betrieb von Mietwagen mit Fahrer nach dem Uber-Modell ist in Berlin nicht möglich. Eine betriebswirtschaftliche Überschlagsrechnung dazu findet sich in der Taxi Times: https://www.yumpu.com/kiosk/taxitimes-berlin/taxi-times-berlin-3-quartal-2021/65907836/20

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